Ich bin ja eigentlich kein Tierfreund. Oder ich bin Tieren gegenüber eher neutral eingestellt. Oder egal. Oder jeder kann machen was er will, und wenn er Tiere haben will, soll er Tiere haben, ich aber nicht. Nicht hier in der Stadt, und in der Wohnung. Und nicht in ein einem Käfig, und auch nicht allein in einem Glas.
Aber die Dinge und Sichtweisen können sich ändern.
Meine Nachbarin hat aus unerfindlichen Gründen zu Ihrem iranischen Neujahrsfest 2 Goldfische als Deko in ein Glas geworfen. Die Gäste kamen, haben die hübsch dekorierte Gabenwand incl . Fische bewundert, und sind wieder gegangen. Die ganzen dekorierten Blumen sind irgendwann verblüht, aber die 2 Goldfische schwammen immer noch im Glas. Nur ist es so: Meine Nachbarin ist eine vielbeschäftigte Frau und lebt gar nicht so richtig in Ihrer Wohnung, sondern nur so alle 2 Wochen mal ein Wochenende. Also hat sie spontan das Glas mit den Fischen nach ihrer Party zu ihrer Nachbarin gegenüber gebracht, und ward nicht mehr gesehen. Die Nachbarskatze hat sich sehr gefreut, und hat ein bisschen mit den Goldfischen gespielt und einem davon beim Spielen ein Schleudertrauma verpasst. So ward es nur noch einer.
Und dieser eine wurde dann samt seinem Glas wieder in die iranische Partywohnung zurückgeschleppt, und schwamm einsam seine Runden währen der erneuten Abwesenheit der iranischen Partyveranstalterin.
Die Fischwohnung liegt über der unseren. Und da ich die Reise der Fische bis jetzt mitbekommen hatte, wusste ich, da schwimmt jetzt ein einsamer Fisch in einer einsamen Wohnung über mir.
Ich konnte nicht schlafen, ich dachte nach.
Ich dachte, dass es am besten wäre bei Karstadt heimlich in der Fischabteilung den Fisch wieder in ein Aquarium zu schmeißen. Dann dachte ich, dass wir den Fisch auf die Straße stellen, und einen Zettel schreiben, wer einen Fisch haben will, der solle ihn doch mitnehmen. Und dann hatte meine Freundin eine blendende Idee: in der Schule meiner Tochter gäbe es ein Aquarium, da könnt ich ihn reinwerfen. Hab ich gemacht. Fisch in die Tüte, vorher noch telefonisch angemeldet, dass ein Fisch Asyl im Schulaquarium braucht, dann mit Fisch in Plastiktüte am Fahrrad zum Schulaquarium gefahren, und die dortige Schulaquariumsbeauftragte sagt: „Oh, das ist aber ein Kaltwasserfisch, der kann ja gar nicht in ein Warmwasserbecken.“ Ich habe geatmet, und gesagt: „Bitte.“
Sie hat gesagt: „Na schön.“ „Wir werden ja sehen, wie es ihm so geht mit der falschen Wassertemperatur.“ „Und außerdem braucht er einen Freund, mit dem er zusammen durch sein Fischleben geht“, hat sie gesagt. Ich werde einen zweiten Fisch ins Warmwasserbecken werfen, nach weiterer Rücksprache mit der Schulaquariumsbeauftragten natürlich. Ich bin jetzt Fischfreund. Seit es dem Goldfisch gut geht, kann ich besser schlafen.